Ein Film über die Gedächtnislücken im Stuttgarter Rathaus
Nirgends im Stuttgarter Rathaus wird auf die Zerstörung der kommunalen Demokratie im Frühjahr 1933 unter Regie von Karl Strölin verwiesen. Eine Galerie der Ehrenbürger zeigt dort im ersten Stock, die ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeister seit Ende des 19. Jahrhunderts. Aber da klafft zwischen Karl Lautenschlager und Arnulf Klett eine Leerstelle. Hatte Stuttgart zwischen 1933 und 1945 keinen Oberbürgermeister? Auch wird nirgends im Rathaus an die hunderte aus politischen oder rassistischen Gründen entlassenen städtischen Mitarbeiter*innen erinnert. An die jüdische Fürsorgerin Emmy Brüll zum Beispiel, die in Ravensbrück ermordet wurde, oder an ihre Kollegin Emilie Levi, die nach Eschenau zwangsevakuiert wurde, wo sie starb, weil ihr ärztliche Hilfe versagt wurde. Auch wird nirgends im Rathaus an die aus dem Amt getriebenen und teilweise verhafteten Gemeinderäte erinnert, von denen einer, Heinrich Baumann, im Februar 1945 in Dachau ermordet wurde.
Mit dieser doppelten Lücke setzt sich ein Film auseinander, den wir zusammen mit dem Theater La Lune realisiert haben. Er will auf diese Lücke aufmerksam machen und den Anstoß geben, dass sie in angemessener Form geschlossen wird.
Idee und Konzept:Julianna Herzberg, Adrian Schmidt, Harald Stingele, Jan Uplegger, Christian Werner
Schauspiel: Julianna Herzberg, Jan Uplegger
Video: Adrian Schmidt
Regie: Christian Werner
Ausstattung: Sonja Hoyler
Recherche: Harald Stingele
Vier Fraktionen des Gemeinderats hatten im April beantragt, den Film am Beginn einer Gemeinderatssitzung erstmals öffentlich zu zeigen. Am 28. Juli 2021 hatte der Film nun Premiere im Stuttgarter Gemeinderat. Wir sind gespannt, ob und wie die Stadträt*innen und die Stadtspitze diesen Impuls aufgreifen werden.
Acht Monate später ging die Auseinandersetzung weiter. Am 29. März 2022 diskutierten Stadträte und Jugendräte im Rahmen einer Veranstraltung im mittleren Sitzungssaal über den Umgang mit der “dpoppelten Lücke”. Mehr hierzu hier.